Backsteine, Betonplatten und Belgien-Premiere – Mein Weg zur EM-Selektion
- Pascal Schärer
- vor 7 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Um die Selektionsläufe für die EM zu bestreiten, reiste ich das erste Mal nach Belgien. Für was ist Belgien bekannt, fragte ich mich vor der Abreise? Schokolade, schnelle Velofahrer und irgendwelche EU-Dinge, lautete damals meine Antwort. Nach knapp einer Woche in diesem Land bin ich nun besser aufgeklärt. Ich weiss nun, dass Backsteinhäuser, lustige flämische Wörter, Einkaufsläden mit nicht-self-Scanning und Betonplatten-Strassen das doch nicht so kleine Land im Nordwesten ausmachen.
Bezüglich geographischer Lage wusste ich mit Sicherheit, dass Belgien nördlich der Schweiz liegt. Aber ob das jetzt auf der Höhe von Grossbritannien oder Norddeutschland ist, fand ich schwierig einzuschätzen. Aber auch dazu weiss ich nun besser Bescheid. Sobald ich im Bulletin lies, dass EMIT als Stempelsystem verwendet werden würde, war für mich der Fall klar: Belgien muss sehr weit im Norden liegen und ein Nachbarland der beiden EMIT-Staaten Norwegen und Finnland sein.
Wie es sich gehört, reisten wir einige Tage vor dem Selektionsläufen an und absolvierten noch einige Trainings durch mehr oder weniger schöne belgische Wohnquartiere, um uns ans Gelände, beziehungsweise den andauernden Anblick von Backstein und das viele Dunkel- und Olivgrün auf der Karte, zu gewöhnen.

Die Selektionsläufe kamen Schritt für Schritt näher und entsprechend nahm für mich mit EM-Hoffnungen die Nervosität Tag für Tag zu. Nach einer wenig erholsamen Nacht war es Samstag Zeit für die Qualifikation des Knockout-Sprints. Ich hoffte, auf dem Weg in die Quarantäne noch einige Minuten Schlaf nachholen zu können, doch die hervorragende Bauqualität der belgischen Strassen machte mir einen Strich durch die Rechnung. Dank dem sanften Schütteln der Fugen zwischen den Betonplatten blieb es nur bei einem leichten Dösen. Daher vertraute ich darauf, dass Carbonschuhe und Koffein ausreichend nachhelfen werden. Und dies taten sie auch. Mit dem Äquivalent von zwei Espressi intus war die Müdigkeit weggewischt und ich navigierte flüssig durch die verschlafenen Quartierwege von Houtem.
„Am Anfang wird oft gebummelt“ – dachte ich. In Belgien sah das ganz anders aus.

Dass ich die Qualifikation überstand, freute mich und dementsprechend richtete ich meine Verpflegung darauf aus, am Nachmittag nochmals am Start zu stehen. Banane, Brot und Zuckerwasser lieferten die dazu erforderliche Energie. Ich wusste nicht so recht, was ich von meinem ersten internationalen Knockout erwarten sollte. Da alle immer von Knockout-Taktik reden ("am Anfang wird oft gebummelt"), war ich ein wenig überrascht davon, wie es ablief. Denn es wurde von Anfang an gepusht und hatte wenig mit Bummeln zu tun. So hockte ich in den Zug, schnallte mich an und versuchte, so lange wie möglich dabeizubleiben. Auch wenn ich das Schwedendress vor mir nur ungern von hinten betrachtete, musste ich einsehen, dass für einen solchen Lauf schlicht und einfach noch Speed fehlt und dementsprechend abreissen lassen, als das Tempo gegen Schluss nochmals anzog.
„laagste prijzen“ – aber nur, bis der Gruyère über die Kasse ging.
Nach diesen anstrengenden Tag war es an der Zeit, beim Abendessen wieder Energie für den nächsten Tag aufzutanken. Dazu gab es Pasta mit Tomatensauce und Käse, welchen wir im Discounter ("laagste prijzen") eingekauft hatte. Zu unserer Verwunderung war der Einkauf nicht so billig wie erwartet, denn der Käse ohne Preisschild entpuppte sich als echter Gruyère mit einem Stückpreis von 8 Euro pro Pack, als der freundliche Mitarbeiter von Colruyt unsere Waren scannte und einpackte. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hat der Käse immerhin umso besser geschmeckt.

Am Sonntag standen Qualifikation und Final des Einzelsprints auf dem Programm. Es war warm, schnell, hart und hatte besonders am Nachmittag viele Touristen. Denn der Selektionslauf fiel mit dem einmal monatlich stattfindenden "Shopping Sunday" in der Altstadt von Mechelen zusammen. Während die Touristen gemütlich durch die Stadt flanierten oder das Sommerwetter in einem Café genossen, rannte ich mit rotem Kopf kreuz und quer durch die Stadt und musste Acht geben, menutafelstudierende Passanten nicht unzurennen und keine Iced Lattes von den Tischen abzuräumen. Verständlicherweise waren die Touristen ein wenig überrascht, wenn man um die Ecken zu rauschen kam, weshalb es gut war, dass die lange Routenwahl über den Steg entlang des Flusses führte. Denn schepperte bei jedem Schritt der gesamte Steg, war niemand mehr überrascht, wenn man anzuschaufen kam.

Nach einem erfolgreichen Knockout-Tag lief es mir am Einzelsprint weniger nach Plan. Da mir in beiden Läufen grosse Fehler - Sackgassen und verpasste Abzweigungen - unterliefen, verbrachte ich die nächsten zwei Nächte und Tage damit, um die Selektion zu zittern. Umso grösser war die Freude am Dienstag, als die Mail eintraf und ich erfuhr, dass ich für den Knockout-Sprint selektionert wurde. Ich freue mich riesig, in knapp drei Wochen zum ersten Mal international bei der Elite am Start zu stehen. Für die kommende Reise bin ich nun auch besser über Belgien informiert und weiss, dass "verkocht" nichts mit Pasta zu tun hat, sondern an verkauften Häusern angeschrieben steht.
Und was uns vom Forch OK noch mehr freut: Auch Anna Gasser hat sich für die EM in Belgien qualifiziert!
Wir werden uns vorbereiten mit dem Forch OK Training Package: Vom 1. August bis 30. September 2025 warten 10 topaktuelle Sprint-OL-Trainings in Zürich, der Forch-Region und im Glarnerland – von technisch knifflig bis Weltcup-relevant (Uster kommt ja auch noch im September...).
Auch du kannst diese Trainings nutzen: https://eventfrog.ch/de/p/sport-fitness/sonstige-veranstaltungen/forch-ok-training-package-7341808172343008566.html
Fotos: EOC 2025//Lore Staes, Gaël Amerijckx, u.a.